Geschichten aus Bibliotheks- und Informationsmanagement

Gegen den Strom: Wir tanzen aus der Reihe

Von Leon Thomsen & Luka Tosic 

„Ich studiere Bibliotheks- und Informationsmanagement (kurz: BIM)“ – „Ah, du bist also ein Bücherwurm?“ Viele Studierende dieses Studiengangs würden diese oft gestellte Frage mit „ja“ beantworten. Wie der Name des Studiengangs schon verrät, zielt der Studiengang auf jene ab, die in einer bibliothekarischen Einrichtung arbeiten wollen. Doch was ist eigentlich, wenn man gar keine Lust darauf hat, in einer Bibliothek oder in einem Archiv zu arbeiten? Welche Möglichkeiten gibt es, wenn man nicht ein ganzes Semester lang in einer solchen Einrichtung versauern möchte?  

Wir sind zwei BIM-Studierende, die aus der Reihe tanzen. Das bedeutet nicht, dass wir morgens mit Fackeln in die Hochschule kommen und versuchen das System zu stürzen. Wir definieren uns ganz einfach durch andere Interessen, abseits von Bibliotheken. Wir wollen nach dem Studium keine Bibliothek leiten, wir wollen Medieninhalte gestalten und das ist nicht nur vollkommen in Ordnung, das ist auch mit BIM möglich. Nicht jede*r hat die Möglichkeit, genau das zu studieren, was sie oder er will. So funktioniert das deutsche Bildungssystem nicht. Ohne einen guten NC, das Geld der Eltern oder ungeheuer viel Glück sind die Möglichkeiten begrenzt. Das ist der Punkt, an dem Kompromisse ins Spiel kommen. Unser Kompromiss heißt BIM. 

Klar, viele BIM-Inhalte haben wenig mit Journalismus am Hut. Sehr viele Themen drehen sich nur um Bibliotheken. Da muss man leider durch. Was zählt ist, wie man sich und seine Interessen einbringt, und was man aus seinem Studium macht. Es gibt immer Möglichkeiten, diesen nachzugehen, so auch die Devise für das Praxissemester. Du willst nicht in eine Bibliothek? Fein, dann such dir eine andere Informationseinrichtung, mit der du mehr anfangen kannst. Genau das haben wir getan, und genau davon wollen wir im Folgenden ein wenig berichten. 

Leons Praktikum in der Redaktion eines Radiosenders  

Ja, auch Radiosender sind Informationseinrichtungen. Das Programm der meisten Sender ist zwar eher auf Unterhaltung ausgelegt, doch Informationen sind auch hier das A und O. In meinem Praktikum bei einem Hamburger Radiosender war alles dabei: Redaktionelle Arbeit, Straßenumfragen, Pressekonferenzen, Interviews, direkte Zusammenarbeit mit Moderator*innen, Stress, aber vor allem Spaß und Leidenschaft. 

Der Spätsommer 2021 und die verhältnismäßig niedrigen Infektionszahlen in Hamburg machten es möglich, das Praktikum in Präsenz zu beginnen. Spoiler-Alarm: Der Winter brachte Veränderungen und für die zweite Hälfte des Praktikums ging es aufs Sofa statt in den Sender. Standortunabhängig hatte man täglich feste Aufgaben, die relevant für das Alltagsgeschäft waren. Hauptsächlich ging es um das Texten von Moderationen, das Recherchieren und Aufbereiten von themenspezifischen Informationen und das Zusammentragen zielgruppenrelevanter Daten, die den Moderator*innen ihren Job erleichtern sollten. Dazu kamen Organisations- und Recherchearbeiten für das Projekt, an dem mitgearbeitet wurde: ein Podcast. 

So stumpf einige Dinge klingen mögen, so war der Arbeitsalltag stets dynamisch und voller Bewegung, – wobei sich im Homeoffice tendenziell weniger bewegt wurde. So gab es jeden Tag um 14:15 Uhr ein Meeting mit dem Redaktionsleiter, der Vorschläge und Inspirationen zur Verbesserung des Programms von den Praktikant*innen entgegennahm. Dazu äußerte er konstruktive Kritik, in ganz seltenen Fällen wurde eine Idee abgesegnet und in den häufigsten Fällen wurde einfach aus dem Nähkästchen geplaudert. Offiziell nannten wir es die „Themenrunde”, deutlich akkurater wäre der Name „Geschichten aus der Medienbranche vom Redaktionsleiter”. Ein weiteres Beispiel für den lebhaften Alltag war die Arbeit am Podcast. Neben organisatorischen und inhaltlichen Aufgaben gab es auch mehrmals die Möglichkeit, selbst Interviews zu führen. In der Regel gab es in jeder Episode einen Gast. In einigen Wochen kam es zu Überschneidungen und auf einmal gab es für dieselbe Woche mehrere mögliche Gesprächspartner*innen. In einem solchen Fall wurde mir die Möglichkeit gegeben, ein Interview selbst zu führen und den Moderator*innen im Nachgang O-Töne für den Podcast bereitzustellen. Es wird viel gepredigt, man lerne mit Praxiserfahrungen am besten. In vielen Fällen ist das allerdings aus diversen Gründen nicht möglich. Umso glücklicher war ich, als mir eine solche Aufgabe gegeben wurde. Den Aufwand und den Stress, der damit inbegriffen war, sollte man zwar nie unterschätzen, aber wenn man solche Möglichkeiten aufgezeigt bekommt, dann schnappt man zu. So kann es laufen. 

Es gibt noch viel, viel mehr Unerzähltes, was dieses Praktikum ausgemacht hat. Soziale Kontakte, die Gespräche in der Redaktion oder auch in der Pause, die enge Zusammenarbeit mit Leuten, die einfach Ahnung von dem hatten, was sie tun – und, und, und. Natürlich ist in erster Linie wichtig, mit welcher Moral man an den Start geht. Wenn du keinen Bock hast und das Ganze lediglich als deine Pflicht siehst, dann bist du vermutlich im falschen Berufsfeld gelandet. Aber wenn du Neugier an den Tag legst, bereit bist zu lernen, dich sinnvoll einzubringen und den Ansporn hast, dich zu verbessern, dann fügt sich das meiste von selbst. Ist zwar auch immer abhängig von den Personen, mit denen man zu tun hat, aber wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch heraus. Alles in allem ist ein solches Praktikum für Journalismus-Interessierte ein super Einstieg mit einer Menge Möglichkeiten.  

Viele unterschätzen immer wieder, wie wichtig es ist, etwas zu machen, das einen erfüllt und Mehrwert für einen selbst besitzt. Wenn ich auf das Praxissemester zurückblicke, dann schaue ich auf viele tolle Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten und lachen konnte. Auf Erfahrungen in dieser Branche, die mir ein Gefühl für das Alltagsgeschäft gegeben haben. Und auf Eigenschaften, die ich in der Zeit dazugewonnen habe, die in der Zukunft von Nutzen sein werden. Mit Ausnahme der pandemischen Umstände würde ich nichts ändern. Aus dem, was nicht so gut gelaufen ist, konnte sehr viel gelernt und mitgenommen werden. Und die vielen guten Dinge sprechen ohnehin für sich. 

Lukas Praktikum in einer Online-Redaktion  

Ich hingegen durfte mein Praktikum in einer eher klassischen Redaktion absolvieren, das heißt Artikel wie diesen zu schreiben gehörte zu meinen Hauptaufgaben. Anders als Leon war mir am Anfang meines Studiums gar nicht so richtig klar, was ich machen will. „Irgendwas mit Informationen oder Medien, bloß keine Bibliotheken”, das habe ich mir schon am ersten Tag des Studiums gesagt. Aus diesem Grund tat ich mich auch bei der Wahl des Praktikumsplatzes schwer.

Beworben habe ich mich bei Medienforschungsinstitutionen, PR-Agenturen, einem Magazinverlag, einem IT-Unternehmen und schließlich auch bei der Online-Redaktion. Einige Absagen gab es natürlich, aber überraschend waren die vielen Zusagen. Der Studiengang BIM öffnet euch mehr Türen als ihr denkt. 

Nun fragt ihr euch, warum ich mich für die Redaktion entschieden habe? Die Antwort auf die Frage ist nicht wirklich spektakulär. Zum einen hatte ein Kommilitone und guter Freund sein Praktikum in einer „klassischen” Redaktion erledigt und die Erfahrung gelobt, zum anderen war es einfach Neugier. Schon in der Schule hatte ich immer Interesse am kreativen Schreiben, aber nie wirklich die Chance gehabt, diesem  nachzugehen oder mich schlicht nicht getraut, für die Schülerzeitung oder Ähnliches zu schreiben. Als ich dann die Praktikumsanzeige für die Online-Redaktion sah, dachte ich mir why not? und bewarb mich einfach mal. Im Bewerbungsgespräch wurde mir dann schnell bewusst „das will ich machen” und ich freute mich, mein Praktikum in der Online-Redaktion zu starten. 

Okay, nun kennt ihr meinen Background, was aber habe ich eigentlich im Praktikum gemacht? Anders als bei Leon war mein ganzes Praktikum digital, das heißt Konferenzen zu besuchen oder Interviews zu führen war leider nicht Teil meiner Aufgabenfelder, obwohl diese für Praktikant*innen eigentlich dazugehören. Also waren das Verfassen von Artikeln und die Leitung der Social-Media-Kanäle meine Kernaufgaben. Hier kommt auch das Online ins Spiel.  

Anders als Redaktionen, die analoge Magazine verfassen, wurden bei uns die Artikel direkt auf der Webseite der Redaktion, also dem Online-Magazin, veröffentlicht. Wir waren also nicht an Deadlines gebunden, sondern veröffentlichten die Artikel nach einem Redaktionsplan. Mal stand ein Advertorial (ein werbender Artikel, der von einem Kunden in Auftrag gegeben wurde) an, mal ein Erklär-Artikel oder das Berichten von Neuigkeiten. Da das Online-Magazin den Schwerpunkt auf Technik setzt, haben sich die meisten Artikel auch thematisch dort angesiedelt. Dennoch durften wir Redakteur*innen immer eigene Themenvorschläge geben oder auch mal einen Artikel zu einem Thema schreiben, das uns gefiel. So habe ich zum Beispiel einen Artikel zu den „besten Anime auf Crunchyroll” geschrieben. Die „Recherche” zu dem Artikel gefiel mir besonders. Was mich wirklich überrascht hat, war genau diese Eigenverantwortung. Schon vom ersten Tag an war ich für die Recherche, das Verfassen und das Anlegen meiner Artikel verantwortlich. Hilfe war natürlich immer verfügbar und auch ich hatte tägliche Redaktionsmeetings, bei denen die aktuellen Aufgaben besprochen wurden. Aber es hat großen Spaß gemacht, sich selbst an die Aufgaben zu trauen und diese anzugehen. Um die Weihnachtszeit war ich sogar für eine Weile komplett allein für die Redaktion verantwortlich. 

Auch wenn mein Arbeitstag etwas monotoner war als der von Leon, kann ich mich dennoch seinem Fazit komplett anschließen. Solltest du Interesse haben, mal in den Bereich des Journalismus abzutauchen, just do it. Auch ich hatte großen Respekt davor, für die Gestaltung von Artikeln verantwortlich zu sein. Das Gefühl des Erfolges, wenn man erfährt, dass die Leute die eigenen Artikel lesen und diese auch gut ankommen, ist jedoch unbeschreiblich erfüllend. Auch konnte ich wertvolle Erfahrungen machen, die mir bestätigen konnten, dass ich meine Zukunft in der Welt des Journalismus, besonders in der Recherche sehe. Praktika sind in dieser Hinsicht eine super Sache! 

Fazit 

Abschließend lässt sich nur noch auf ein altes Sprichwort verweisen: „Jeder ist seines Glückes Schmied“ bzw. – so viel Zeit muss sein – „Jede*r ist ihres/seines Glückes Schmied“. Es liegt in deiner Hand, was du aus deinem Leben machst. Lass dir nicht von anderen sagen, was du machen sollst! Es geht schließlich um dich, um deine Zukunft. Also hör auf dich selbst und schau, was dich interessiert. Nur danach solltest du die Suche nach deiner Praktikumseinrichtung gestalten.