Geschichten aus Bibliotheks- und Informationsmanagement
Von Sinah Sadlowski
Heute ist wieder einer dieser Tage… Ein Tag, den ich am liebsten vergessen würde. In letzter Zeit häufen sich diese Tage. Ich kann gar nicht genau sagen, was im Moment los ist, aber ich habe das Gefühl, dass mir alles über den Kopf wächst. Jeder Tag ist gleich. Ich stehe früh auf, frühstücke und fahre zur Arbeit. Dort gibt es so viel zu tun, dass ich nachmittags nicht mehr viel zustande bringe, außer etwas einzukaufen und mir eine Kleinigkeit zu essen zu machen. Abends setze ich mich vor den Fernseher, schlafe aber schon nach zehn Minuten vor Erschöpfung ein. Gegen Mitternacht schleppe ich mich ins Bett und versuche, noch etwas Schlaf zu bekommen. Um vier Uhr fängt das Ganze wieder von vorne an. Jeden Tag. Immer das Gleiche. Ich kann nicht mehr.
Am liebsten würde ich im Bett bleiben und mir die Decke über den Kopf ziehen. Und dann würde ich flüchten. Flüchten in eine andere Welt. Mich von Lucinda Riley oder Jojo Moyes in eine unbekannte Welt entführen lassen, in der meine Sorgen nicht existieren. Ich würde mich der Fantasie hingeben, dass perfekte Welten existieren. Vielleicht wäre ich in dieser Welt Entdeckerin oder Sportlerin. Oder vielleicht finde ich die große Liebe? Meine Möglichkeiten sind unendlich.
Wann habe ich mich eigentlich das letzte Mal fallengelassen? Das letzte Mal die Seele baumeln lassen? Ich kann mich schon gar nicht mehr daran erinnern. Viel zu lange befinde ich mich schon in dieser Lage. Unglücklich und fokussiert auf die falschen Dinge. Ich muss jetzt mal an mich denken. Das fiel mir schon immer schwer. Schon als Kind habe ich den anderen immer den Vortritt gelassen. Bin sofort von der Schaukel gesprungen, wenn ein anderes Kind darauf wollte oder habe meinen letzten Lolli abgegeben, weil mich meine Freundin darum gebeten hat. Als Erwachsene habe ich mich nicht viel verändert. Viel zu oft gebe ich nach, erledige Aufgaben, für die ich eigentlich nicht zuständig bin und lasse mich zu Dingen überreden, die ich nicht tun möchte. Damit muss jetzt Schluss sein. Ich muss jetzt wirklich mal an mich denken. Doch wie fange ich an? Wie mache ich mich für mich selbst stark? Ich muss in kleinen Schritten anfangen. Aber wo? Wo und vor allem wie fängt man ein neues Leben an? Ich bin jetzt schon überfordert von all den Möglichkeiten, die sich mir bieten. Bisher habe ich immer das Gleiche gesagt und getan. Tag für Tag. Wie komme ich aus diesem endlosen eintönigen Kreis wieder heraus? Moment, habe ich nicht erst heute Morgen von diesem einen Ort gehört? Dem Ort, an dem Wissen lagert? An dem man sich über alles und jeden informieren kann? Dort finde ich sicher die Antworten auf meine Fragen. Dort muss es einen Hinweis darauf geben, wie man neu anfängt. Aber wie hieß der Ort noch? Wissensspeicher? Ort der Informationen? Nein, das war es nicht.
Informationsinsel. Ja genau, es ist die Informationsinsel. Das klingt schon so super. Ich denke, dort werde ich fündig. Dort fange ich an zu suchen. Mein Entschluss steht fest. Ich werde auf die Informationsinsel reisen. Ich packe nur das Wichtigste, nämlich meinen Verstand und meine Fantasie. Und dann wird alles besser! Das weiß ich nun genau. Es wird besser. Ich werde es schaffen. Heute. Nicht Morgen. Nein, heute fange ich an.
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